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Reduzierung der Rohproteinversorgung von Milchkühen
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Verschärfungen im Dünge- und Umweltrecht erhöhen in Milchkuhbetrieben den Druck, die N-Ausscheidungen zu senken und die N-Effizienz zu erhöhen, nach Möglichkeit ohne Nachteile in den Naturalleistungen und in der Wirtschaftlichkeit des Betriebszweiges.

Aus gültigen Versorgungsempfehlungen (GfE, DLG) lässt sich ein notwendiger nXP- und Rohproteingehalt von ca. 160 g/kg TM für Rationen zur bedarfsdeckenden und effizienten Proteinversorgung von Kühen mit hohen Milchleistungen (35 – 45 kg/Kuh/Tag) und Futteraufnahmen (22 – 26 kg TM/Kuh/Tag) ableiten.

In zwei am ZTT Iden durchgeführten Versuchen wurde diese Fütterung mit proteinreduzierten Rationen (145 – 150 g/kg TM) verglichen. Dabei wurde in einem Versuch auch das nXP-Angebot verringert, in der zweiten Untersuchung wurde dies durch den Einsatz von behandeltem Rapsextraktionsschrot mit erhöhtem nXP-Gehalt vermieden. In beiden Versuchen konnte bei Fütterung von Rationen mit geringeren Rohproteingehalten die N-Effizienz signifikant verbessert und die N-Ausscheidungen reduziert sowie noch ein hohes Leistungsniveau (> 40 kg Milch/Tag) erreicht werden. Jedoch waren gegenüber der Fütterung mit höherem Rohproteingehalt (ca. 160 g/kg TM) ohne nXP-Ausgleich Leistungseinbußen erkennbar. Bei nXP-Ausgleich traten diese nicht gleichermaßen auf.

Eine weitere Möglichkeit, mit weniger Rohprotein zu füttern, ohne Leistungseinbußen zu provozieren, wird in der Rationsergänzung mit pansengeschützten Aminosäuren (AS) gesehen. Als prioritär zu ergänzende AS werden dabei Methionin und Lysin eingeordnet, da deren Defizite ggf. zuerst die Milcheiweißsynthese limitieren können. Wenn in solchen Rationen der Rapsextraktionsschrotanteil vermindert wird, kann ebenfalls Phosphor (P) eingespart und somit näher am Bedarf ohne P-Luxuskonsum gefüttert werden.                

Abgesenkte Rohproteingehalte mit deutlich negativer RNB können die N-Ausscheidungen der Kühe spürbar verringern, bergen aber auch das Risiko einer reduzierten mikrobiellen Proteinsynthese im Pansen in sich. Hier gilt es, einen guten Kompromiss zu finden.

Versuch in Iden mit 77 Kühen

In einem Einzeltierfütterungsversuch am Zentrum für Tierhaltung und Technik in Iden wurde verglichen, wie Kühe auf die Fütterung einer Versuchsration (VR) mit abgesenktem Rohproteingehalt bei gleichzeitiger Ergänzung von pansengeschütztem Methionin und Lysin und auf die Versorgung mit einer Kontrollration (KR) reagieren. Die Proteinversorgung mit der KR wurde an der Produktionsroutine des Versuchsbetriebes und am kalkulierten Bedarf bei guter Futter-N-Effizienz ausgerichtet. 

In die Untersuchung wurden 77 Mehrkalbskühe der Rasse DH drei Wochen vor der Kalbung (a.p.) bis zum 120. Laktationstag (LT) einbezogen. Die Zuordnung zur Versuchsgruppe = VG (Fütterung VR) oder zur Kontrollgruppe = KG (Fütterung KR) erfolgte unter Berücksichtigung der Verteilung von Laktationsnummern, Leistungsparametern sowie der Körpermassen (KM) und der Rückenfettdicken (RFD) (Tabelle 1).

Tabelle 1: Beschreibung der Tiere in den Gruppen

In der Vorbereitungsfütterung a.p. wurden identische Rationen für beide Gruppen zusammengestellt (Anteile an der TM der TMR: 30 % Maissilage, 22 % Gras-/Luzernesilage, 13 % Mais-Getreide-Mischung, 13 % Rapsextraktionsschrot, 11 % Stroh, 3 % Glycerin und organische Säuren, 8 % Mineralfutter einschließlich saurer Salze und Futterkalk. Im Mineralfutteranteil erhielt die VG die Rationsergänzung mit den geschützten AS.)

TMR mit 16 und 14,8 % Rohprotein

Die Zusammensetzungen der TMR zur Fütterung nach der Kalbung (p.p.) als Mittel der Ladeprotokolle des Futtermischwagens im Versuchszeitraum zeigt die Tabelle 2. Im Versuchsverlauf wurden Anpassungen der Rationen aufgrund aktueller Analysenwerte der eingesetzten Futtermittel und zur Einhaltung der Zielwerte der Rationsberechnung vorgenommen. Die grundsätzlich angestrebte Differenzierung der Proteingehalte und die möglichst genaue Angleichung der Gehalte an Energie sowie an weiteren Nährstoffen blieben dabei bestehen.

Tabelle 2: Beschreibung der im Versuch gefütterten Rationen

Der geringere Proteingehalt in der VR und die deshalb erwartete reduzierte Verfügbarkeit an Aminosäuren im Stoffwechsel sollte durch die dementsprechende Zulage von Methionin und Lysin ausgeglichen werden. Die Einsatzmenge wurde nach dem erweiterten nXP-System (Schröder et al., 2008) kalkuliert. Ziel war es, mit der VR die AS bedarfsdeckend zu verabreichen. Der Bedarf wurde aus der zu erwartenden Milchleistung der KG abgeleitet. Die Zulage erfolgte mit dem Mineralfutter über die Produkte Metasmart dry AR® sowie LysiGEMTM. Je Kuh und Tag wurden in der Laktationsfütterung 45 g bzw. 40 g eingesetzt, in der Vorbereitungsfütterung a.p. 23 bzw. 20 g.

Für das mit einem Isopropylester veresterte Methionanalog Metasmart® besteht nach Herstellerangaben zu ca. 50 % ein Schutz vor dem Abbau über die Pansenmikroben, wodurch eine direkte Absorption aus dem Pansen und die Lieferung von bioverfügbarem Methionin über das Blut für den Stoffwechsel ermöglicht wird. Zu 50 % erfolgt der Abbau zu β-Hydroxy-β-Methylbuttersäure mit Wirkung auf die Fermentationsprozesse im Pansen. Für LysiGEMTM besteht ein kompletter Schutz, so dass das Lysin direkt zum Dünndarm fließt.

Datenerfassung

Die tägliche Erfassung der Futteraufnahmen erfolgte im gesamten Versuchszeitraum a.p. und p.p mit Ausnahme der ersten Laktationswoche an automatischen Wiegetrögen. Anschließend wurden die Mengen mit den mehrfach für jedes eingesetzte Grob- und Kraftfuttermittel analysierten Futterwertdaten sowie den täglich registrierten Anteilen an Einzelfuttermitteln in der TMR zu den einzeltierbezogenen Energie- und Nährstoffaufnahmen verrechnet. Die Milchmengen der Kühe wurden täglich gemessen, die Milchinhaltsstoffe wöchentlich. Die Wägungen der Tiere und die Messungen der Rückenfettdicke (RFD) fanden wiederholt a.p. sowie p.p. zu festgelegten Laktationstagen (LT) statt, ebenso die Entnahme von Blutproben, in denen ausgewählte Stoffwechselparameter untersucht wurden.

An drei zufällig ausgewählten Versuchstagen wurden von jeweils 36 Kühen einer Gruppe Harnproben genommen und aus diesen von jeweils 12 Kühen eine Poolprobe gebildet. Darin erfolgte die Untersuchung der Gehalte an N sowie an Harnsäure und Allantoin. Unter der Verwendung der KM der Kühe und der im Harn untersuchten Kreatiningehalte konnten die täglichen Purinmengen im Harn eingeschätzt und dadurch nach ØSKOV und CHEN (2003), SÜDEKUM (2006) und MOORBY (2006) Rückschlüsse auf die mikrobielle Proteinsynthese im Pansen der Kühe gezogen werden.

Die statistische Auswertung für die Daten der Futter-, Energie- und Nährstoffaufnahmen sowie der Milchleistungen und Milchinhaltsstoffe erfolgte mittels gemischtem linearen Modell (Testtagsmodell) mit der SAS-Prozedur MIXED. Neben dem interessierenden festen Effekt der Proteinversorgung waren als weitere Einflussgrößen LT (fest) sowie wiederholte Leistungen (zufällig) zu berücksichtigen.

Für die untersuchten Parameter in Harn und Blut sowie für die KM und RFD erfolgte die Prüfung der Mittelwertdifferenzen auf Signifikanz mittels t-Test für eine unabhängige Stichprobe (Programm SPSS).

Versuchsergebnisse

Während der Vorbereitungsfütterung a.p. unterschieden sich die gemessenen täglichen TM-Aufnahmen nicht zwischen den Gruppen (VG: 13,9 kg; KG: 14,2 kg). Dies trifft auch für die Futteraufnahmen in der Laktation zu (Tabelle 3).

Tabelle 3: Ergebnisse zur Versorgungslage, zur Leistung und zu berechneten Bilanzen der Kühe

Durch die reduzierten Gehalte der Ration waren dagegen für die VG signifikant geringere Aufnahmen an Rohprotein und nXP zu verzeichnen. Die RNB lag für die VG deutlich im negativen Bereich, die der KG im moderat positiven. Bei ähnlichen Futteraufnahmen und Gehalten der Rationen waren die Aufnahmen an Energie sowie an leicht verdaulichen und Strukturkohlenhydraten gleich. Ein signifikanter Unterschied wurde für die P-Aufnahmen ermittelt. Diese lagen für die Kühe der VG um 12 % niedriger als für diejenigen der KG.

Ein statistisch abzusichernder Unterschied für die mittleren Milchmengen der Gruppen im Versuch wurde nicht festgestellt, obwohl die bestehende nummerische Differenz von 1,8 kg/Tag und insbesondere die Leistungsverläufe im ersten Laktationsdrittel einen Fütterungseffekt vermuten ließen. Die Milcheiweißleistung der VG war dagegen gegenüber der KG signifikant verringert. In der VG wurden bei einem insgesamt geringen Niveau in der gesamten Versuchsherde deutlich höhere Milchfettgehalte gemessen. Daraus resultierten ähnliche Milchfettmengen- und nahezu identische ECM-Leistungen der Gruppen. Die Unterschiede im Versorgungsgrad mit Rohprotein und in der ruminalen N-Verfügbarkeit für die Gruppen spiegelten sich in den Differenzen der untersuchten Milchharnstoffgehalte jeweils deutlich wider. 

Eine nach Bannink und Hindle (2003) durchgeführten Kalkulation ergab für die VG im untersuchten Laktationsabschnitt gegenüber der KG um 9 % verringerte N-Ausscheidungen (VG: 350 g/Kuh/Tag, KG: 377 g). Die berechnete N-Bilanz (DLG, 2014) lag um 11 % niedriger (VG: 354 g/Kuh/Tag, KG: 398 g). Weiterhin wurde für die VG eine effektivere N-Ausnutzung ermittelt (VG: 39 %, KG: 37).

Die N-Gehalte des Harns in den untersuchten Poolproben waren in Übereinstimmung mit den kalkulierten N-Bilanzen und N-Ausscheidungen für die VG signifikant geringer (Tabelle 4).

Die Harn-N-Gehalte der jeweils drei Poolproben einer Gruppe variierten zwischen den drei Probentagen von 5,2 bis 6,4 g/l in der VG und 6,7 bis 8,6 g/l in der KG.

Tabelle 4: Ergebnisse der Untersuchung des Harns in den gebildeten Poolproben (n = 9 je Gruppe) 

Die berechneten Gehalte an Purinen im Harn lagen für die VG ebenfalls auf einem signifikant geringeren Niveau. Nach der vorgenommenen Einschätzung aus drei Probentagen ließe sich auf eine um ca. 13 % reduzierte mikrobielle Proteinsynthese bei den Tieren der VG schließen. Dabei ergaben sich die stärkste berechnete Reduzierung an einem Probentag mit 21 % und die geringste mit 5 %.     

Der Abbau an RFD vom 1. bis zum 60. LT unterschied sich nicht zwischen den Gruppen (VG: 11,8 mm, 12,1 mm). Beide Gruppen lagen dann mit 13 bis 14 mm im mäßig mageren und noch im Toleranzbereich der RFD nach Staufenbiel (2003).

Die Mittelwerte der Gehalte an unveresterten Fettsäuren im Blut (NEFA) lagen zum 14. LT in beiden Gruppen oberhalb des Grenzwertes nach STAUFENBIEL (2008) von 0,4 mmol/l und dabei in der VG signifikant höher (0,79 mmol/l) als in der KG (0,48 mmol/l). Ein signifikanter Unterschied im Gehalt an Betahydroxybutyrat (BHB) im Blut und für die VG eine Erhöhung über den Grenzwert (1,0 mmol/l) in den Bereich subklinischer Ketose wurden zum 21. LT ermittelt (VG: 1,07 mmol/l, KG: 0,68 mmol/l). Auch der Anteil an Tieren mit Grenzwertüberschreitungen unterschied sich zum Teil erheblich zwischen den Gruppen (z. B. BHB > 1,0 mmol/l am 21. LT: VG 33 %, KG 16 %, 35. LT: VG 18 %, KG 8 %). Somit lässt sich kein Effekt zur Stabilisierung des Energie- und Fettstoffwechsel der Fütterung der VR ableiten.

Die Harnstoffgehalte im Blut unterschieden sich erwartungsgemäß zum 14., 35. und 63. LT signifikant (VG: 2,6 – 2,7 mmol/l, KG: 3,3 – 3,5 mmol/l). Der Referenzbereich wird von STAUFENBIEL (2008) mit 3,5 bis 5,0 angegeben. Die Gehalte an P im Blut unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen.

FAZIT

Im Einzeltierfütterungsversuch wurden die Reaktionen der Kühe der Versuchsgruppe (VG) auf die Fütterung einer Ration mit abgesenktem Proteingehalt und Ergänzung pansengeschützter Aminosäuren (Methionin, Lysin) beobachtet und mit den Reaktionen von Kühen einer Kontrollgruppe (KG) mit „Standardproteinversorgung“ verglichen.

Festzustellen waren

  • keine unterschiedlichen Futteraufnahmen sowie Aufnahmen an Energie und Kohlenhydraten,
  • reduzierte Rohprotein- und nXP-Aufnahmen, eine geringere runimale N-Verfügbarkeit in der VG sowie geringere P-Aufnahmen,
  • ein hohes Leistungsniveau (> 40 kg Milch/Tag), auch in der VG, 
  • geringere Milcheiweißleistungen in der VG (als mögliche Folge deutlich reduzierter mikrobieller Proteinsynthese im Pansen),
  • höhere Milchfettgehalte in der VG (als mögliche Folge fütterungsbeeinflusst veränderter Fermentationsprozesse im Pansen), daraus resultierend identische ECM-Leistungen,
  • eine um 11 % reduzierte N-Bilanz sowie eine um 2 % erhöhte N-Ausnutzung in der VG,
  • kein verbesserter Status des Energie- und Fettstoffwechsels in der VG, z. T. stärkere Belastungen im Bereich subklinischer Ketose,
  • deutliche Referenzwertunterschreitungen beim Blutharnstoffgehalt in der VG als Hinweis auf eine Proteinunterversorgung.

Die Wirkung der Rationsergänzung mit geschützten Aminosäuren sollte bei höherer ruminaler N-Verfügbarkeit wiederholt geprüft werden.

DER DIREKTE DRAHT

Thomas Engelhard
Tel: +49 39390 6 325  
E-Mail: thomas.engelhard[at]llg.mule.sachsen-anhalt.de 


Stand: 10/2020
Fotos (Katrin Mahlkow-Nerge)