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Milchleistung, Milchqualität und große Würfe – was kann die Fütterung tun?

Die Leistung unserer Schweineherkünfte hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten rasant entwickelt. Gerade in der Ferkelerzeugung waren noch Ende des letzten Jahrtausends 24 abgesetzte Ferkel je Sau und Jahr nicht alltäglich. Heute sprechen wir über 30 und deutlich mehr abgesetzte Ferkel je Sau und Jahr. Die genetische Entwicklung ist imposant. Doch müssen wir uns fragen, ob wir im Management darauf immer gut vorbereitet sind und ob unsere Fütterungsstrategien und die Futterzusammensetzung diesen hohen Leistungsanforderungen entsprechen. Worauf muss unbedingt geachtet werden, was müssen wir besser machen? Diese Fragen soll der Beitrag von Dr. Heinrich Kleine Klausing, GELAMIN – Gesellschaft für Tierernährung mbH Wildeshausen, mit praktischen Empfehlungen beantworten.

Wichtigste Grundlage für hohe Leistung: Konditionsfütterung

Lassen Sie uns ehrlich sein – das Thema „Konditionsfütterung von Sauen“ ist in den letzten Jahren ein wenig aus dem Fokus gekommen. Natürlich füttern wir unsere Sauen heute wesentlich gezielter als noch vor zehn Jahren. Aber eine wirkliche Konditionsbeurteilung – also ein „Body Condition Scoring (BCS)“ – wird nicht in jedem Betrieb wirklich vorgenommen. Man muss dazu nicht unbedingt mit dem Ultraschallgerät die Speckdicke laufend messen. Ich muss aber mit dem Auge in der Lage sein, meine Sauen in den einzelnen Produktionszyklen konditionsseitig zu beurteilen und in die entsprechende Konditionsklasse (Abbildung 1) einzuordnen.

Die Abbildung der Konditionsklassen ist mittlerweile mehr als 20 Jahre alt – aber sie ist nicht überholt, sondern nach wie vor topaktuell. Nur gezielt auf Kondition gefütterte Sauen sind in der Lage, ihr genetisches Leistungspotential umzusetzen und der Vielzahl lebend geborener Ferkel ausreichend Geburtsgewicht mitzugeben. Und nur solche Sauen haben auch die Möglichkeit, genügend Milch von Anfang an – also eben auch genügend Kolostralmilch – zu bilden. Die Sauenkondition sollte immer zwischen mindestens 2,5 und nicht wesentlich höher als 3,5 rangieren. Die optimale Kondition von 3 sollte möglichst schnell nach erfolgreicher Belegung erreicht werden. Futtermengenzuteilung erfolgt immer auf Basis der Zuchtkondition.

Milchleistung und Milchqualität

Große Würfe benötigen Milch nicht nur als Nährstoffquelle. Viel wichtiger ist die Milch als Quelle für Antikörper – Immunglobuline. Denn Ferkel werden ohne eine Ausstattung mit Immunglobulinen geboren. Die Kolostralmilch der eigenen Mutter ist die einzige und wichtigste Quelle. Der Gehalt an den wichtigen Immunglobulinen IgG in der Kolostralmilch geht in den ersten 12 Stunden nach Einsetzen des Milcheinschusses in das Gesäuge deutlich zurück (siehe Tabelle 1).

Dies bestätigt auch eine aktuell in Finnland und den Niederlanden durchgeführte wissenschaftliche Arbeit (Hasan, 2019). In den ersten 10 Stunden nach Geburt reduzierte sich der Gehalt an IgG um 43 % und 70 % der untersuchten Sauen hatten nach 24 Stunden einen um 80 % reduzierten Gehalt an IgG in der Milch. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Menge der Kolostralmilchaufnahme. Ferkel, die nur 200 g Kolostralmilch aufnehmen konnten, hatten im Vergleich zu Ferkeln, die 350 g und mehr Kolostralmilch erhielten, ein um 20 % geringeres Absetzgewicht. Und auch Verlustferkel hatten in dieser Untersuchung eine Gemeinsamkeit: sie gehörten weit überwiegend der Gruppe Ferkel an, die wenig Kolostralmilch erhalten hatten.

Welche Faktoren nehmen wesentlich Einfluss auf Produktion und Qualität der Kolostralmilch?

Neben den Gehalten an Protein, praecaecal verdaulichen Aminosäuren und Energie (bewertet auf Basis der Nettoenergie) sind zwei Faktoren besonders bedeutend: der Gehalt an Mineralstoffen und die darauf basierende Differenzierung des DCAB-Wertes (DCAB: Dietary Cation Anion Balance) zwischen Trage- und Laktationsfutter sowie der Gehalt an unlöslichen fermentierbaren Strukturkohlenhydraten.

Der Bedarf der tragenden und laktierenden Zuchtsauen an den wichtigen Mineralstoffen Calcium, Phosphor, Natrium und Magnesium ist vielfach untersucht und die erforderliche tägliche Versorgung in Abhängigkeit von Wurfgröße und Milchleistung gut bekannt. Allerdings ist die Einlagerung von vor allem Calcium und Phosphor in die Depots während der Trächtigkeit sowie die schnelle Umstellung des Stoffwechsels auf die Freisetzung dieser Mineralstoffe aus den Depots (vor allem aus dem Knochengewebe) mit einsetzender Milchleistung ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor. Hier kommt der DCAB-Wert und seine Differenzierung zwischen Trage- und Laktationsfutter zum Tragen. Durch eine gezielte Kombination verschiedener Natriumquellen (Natriumchlorid und Natriumbikarbonat) kann der DCAB-Wert im Tragefutter um mindestens 20 bis 50 meq je kg höher eingestellt werden als im Laktationsfutter. Dies fördert die frühzeitige Freisetzung von vor allem Calcium aus den Depots mit Einsetzen der Kolostralmilchbildung und gleicht somit die Versorgungslücke aus der Absorption aus dem Darm aus. Somit ist während der gesamten Laktation eine auch für hohe tägliche Milchbildung erforderliche Mineralstoffversorgung im Stoffwechsel sichergestellt.

Die Berechnung des DCAB (in meq je kg Futter) erfolgt anhand folgender Gleichung: DCAB (meq/kg) = 43,5 x Na (g/kg) + 25,6 x K (g/kg) - 28,2 x Cl (g/kg) - 62,4 x S (g/kg)

Faser für Zuchtsauen – „Rohfaser“ oder …..?

Eine große Herausforderung in der Ernährung hochleistender Zuchtsauen besteht in der ausreichenden Versorgung mit „Rohfaser“. Doch was ist eigentlich „Rohfaser“, wozu benötigt die Zuchtsau „Faser“ und gibt es bessere Kenngrößen als eben „Rohfaser“.

Die Kenngröße „Rohfaser“ ist aufgrund der chemisch wenig genau definierten Zusammensetzung nach dem heutigen Kenntnisstand keine ausreichende genaue Kenngröße, den verdauungsseitigen Bedarf der Zuchtsau an unlöslichen fermentierbaren sowie unlöslichen, nicht bis wenig fermentierbaren Strukturkohlenhydraten zu beschreiben. Deutlich besser geeignet sind die analytisch zu erfassenden Größen NDF (Neutrale Detergentien Faser) und ADF (Acid (Saure) Detergentien Faser). Während die NDF alle unlöslichen Nahrungsfasern (unlösliche Hemicellulosen, Cellulose und Lignin) beinhalten, ist die ADF Teil der NDF und stellt die Cellulose und das Lignin dar (Abbildung 2).

Unlösliche Strukturkohlenhydrate werden im Dickdarm der Zuchtsau durch die Mikrobenpopulation fermentativ genutzt. Die dabei entstehenden kurzkettigen Fettsäuren nehmen zum einen direkt oder indirekt positiv Einfluss auf die Stabilität der Mikrobenpopulation im Darm. Insbesondere grampositive Bakterien wie Clostridientypen werden so in ihrer Entwicklung begrenzt. Zum anderen stehen diese kurzkettigen Fettsäuren – Essigsäure, Milchsäure, Propionsäure, Butyrat und weitere Stoffwechselprodukte aus der Fermentation – im Stoffwechsel der Zuchtsau als Energiequelle zur Verfügung. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass ausgewachsene Monogastrier wie die Zuchtsau ihren Energiebedarf zu 30% und mehr aus der Fermentation im Dickdarm decken können. 

Für einen immer leichtgängigen Kotabsatz – also Vermeidung jeglicher Verstopfungen – sind die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Strukturkohlenhydrate herausragend wichtig. Neben der Fermentationsfähigkeit binden sie Wasser im Darmlumen und erleichtern so den Kotabsatz. Außerdem besitzen sie bei gezielter Auswahl der Komponenten auch mechanische Eigenschaften, die bedeutend für die Darmmotilität und somit die Passagerate sind. Hier kommt auch ein Mindestgehalt an wenig fermentierbarer ADF zum Tragen. Jegliche Vermeidung von Verstopfungen ist auch ein wichtiger Gesundheitsaspekt für Zuchtsauen. Denn bei Verstopfungen steigt das Risiko der Anflutung von Endotoxinen (Lipopolysaccharide – Zellwandbestandteile gramnegativer Bakterien wie E. coli) deutlich. Sie können im Stoffwechsel zu entzündlichen Prozessen führen und sind häufig mitverantwortlich für Milchmangelsymptome als Teil des MMA-Komplexes. Ihre Konzentration kann auch in der Sauenmilch ansteigen und sie können auf diesem Wege von den Saugferkeln aufgenommen werden. Mangelnde Vitalität, verminderte Zuwachsleistung und erhöhte Saugferkelverluste können die Folge sein.

Quellen für NDF und ADF sind Komponenten wie Weizenkleie, Zuckerrübenschnitzel, Sojabohnenschalen, Sonnenblumenschalen, Sonnenblumenschrot, Rapsschrot und Palmexpeller. Ein druckhydrothermischer Aufschluss derartiger Komponenten kann die positiven Eigenschaften dieser Komponenten in der Zuchtsauenfütterung noch weiter steigern. Speziell in der Ferkelfütterung ist die Verwendung derartiger aufgeschlossener, strukturkohlenhydratreicher Komponenten – hier vor allem Spezialprodukte mit aufgeschlossenen Sojabohnenschalen – ein wichtiger Erfolgsfaktor in einer darmgesunden Ernährung und somit sehr wichtiger Baustein in der deutlichen Reduzierung von Antibiotikaverwendung zur Durchfallbehandlung.

Damit derartige Fütterungskonzepte für hochleistende Zuchtsauenherkünfte mit hohem Milchbildungsvermögen fachlich korrekt und ökonomisch interessant umgesetzt werden können, muss auch die heute in Deutschland und auch Österreich nach wie vor auf Basis der Umsetzbaren Energie erfolgte energetische Bewertung von Futterrohstoffen und Futtermischungen unbedingt erneuert werden. Eine Bewertung auf Basis der Nettoenergie, wie sie z. B. in den Niederlanden erfolgt, beurteilt die Energiebereitstellung aus der Fermentation im Dickdarm deutlich sachgerechter und ist damit nicht nur für die Zuchtsauenfütterung das richtige Bewertungsmodell. Auch in der Fütterung der Absetz- und Aufzuchtferkel bietet sich damit die Möglichkeit, Zuwachsleistung optimal mit Darmstabilität – also Vermeidung von Dysbiosen bis hin zu Durchfallerscheinungen – zu vereinen.

Die Nährstoffgehalte, die in Trage-, Laktations- und Flushingfutter als Zielgrößen erreicht werden sollen, sind in Tabelle 2 dargestellt.

FAZIT – Was bleibt festzuhalten?

Unsere heutigen Zuchtsauenherkünfte haben ein hohes genetisches Potential. Weit über 30 lebend geborene Ferkel je Sau und Jahr sind heute mehr und mehr die Regel. War die Verbesserung der Produktionsleistung noch vor Jahren hierauf ausgerichtet, so steht heute die Frage im Fokus, wie die Ferkel an der Sau bestmöglich und verlustarm aufgezogen werden können. Dazu bedarf es neuer Futter- und Fütterungskonzepte, die mehr als nur den rein numerischen Nährstoffbedarf berücksichtigen. Die Besonderheiten des Verdauungstraktes und seiner verschiedenen Kompartimente müssen bekannt sein und bestens genutzt werden. Gerade die optimale Unterstützung und Nutzung der Fermentation im Dickdarm der Zuchtsau ist ein zentraler Erfolgsfaktor, wenn man Milchleistung und Milchqualität zur Versorgung großer Würfe optimieren will.

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Heinrich Kleine Klausing
Gelamin
Gesellschaft für Tierernährung
E-Mai: kk(at)mineralfutter(dot)de

Stand: 4.2020

Literatur

Hasan, S. (2019): Challenges of hyper-prolificacy in the pig:  colostrum and gut microbiota; PhD Thesis University of Helsinki

Bild BCS:
KLEINE KLAUSING, H.; LENZ, H. (1994): Füttern auf Kondition – Grundlage einer erfolgreichen Ferkelerzeugung; SUS Schweinezucht und Schweinemast 42, 14-17
KLEINE KLAUSING, H. et al. (1998): Zuchtkondition: Fit, aber nicht fett! top agrar 12/98, S4-S7

Tabelle 1: Ergebnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen: Curtis und Bourne, 1971; Foisnet et al., 2010a,b, 2011; Frenyo et al., 1981; Jackson et al., 1995; Jensen und Pedersen, 1979; Klobasa et al., 1987; Loisel et al., 2013; Markowska-Daniel und Pomorska-Mol, 2010; Quesnel et al., 2008; Rolinec et al., 2012.