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Milchkühe N- und P-reduziert füttern!
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Milchkühe können mit Hilfe ihrer Bakterien im Pansen sehr effizient Kohlenhydrate und Stickstoff in Milchprotein und damit in essbares tierisches Eiweiß umwandeln. Der Vorteil der Wiederkäuer liegt dabei darin, Kohlenhydrat- sowie Stickstoff-Quellen aus z. B. Gras nutzen zu können, was uns Menschen oder auch Schweinen nicht möglich ist. Darüber hinaus sind Milchkühe aufgrund der mikrobiellen Proteinsynthese im Pansen in der Lage, einen Großteil ihres Bedarfs an Protein und Aminosäuren über Mikrobenprotein selbst zu produzieren. Werden die Tiere mit Stickstoff und/oder Phosphor über den Bedarf hinaus versorgt, scheiden die Tiere die Überschüsse wieder aus.

Wie eine optimale und effiziente Fütterung aussehen kann, lesen Sie im nachfolgenden Beitrag von Dr. Christian Koch vom DLR Westpfalz, Hofgut Neumühle.

Zunächst konnte man davon ausgehen, dass Deutschland aufgrund der NEC-Richtlinie der Europäischen Union zur Minimierung von nationalen Emissionshöchstmengen seinen Ammoniakausstoß bis zum Jahr 2030 um 29 % reduzieren muss (Basisjahr 2005). Tatsächlich muss, aufgrund deutlich ansteigender Emissionen in den letzten Jahren, Deutschland seine Ammoniakemissionen bis 2030 um ca. 37 % verringern. Da rund 95 % dieser Emissionen aus der Landwirtschaft stammen, ist die Landwirtschaft gefordert, die NEC-Richtlinie einzuhalten. Der überwiegende Teil der landwirtschaftlichen Ammoniakemissionen entsteht bei der Ausbringung von Wirtschaftsdünger sowie im Stall durch die Fütterung und Haltung der Tiere. Weitere Emissionen entstehen bei der Lagerung der Wirtschaftsdünger und auf der Weide (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Ammoniakemissionen in der Milchviehhaltung 2017 (Thünen Report 67, 2019)

Neben der Haltung können durch die Fütterung Emissionen reduziert werden. Hier ist eine Stickstoff- (N) und Phosphor- (P) reduzierte Fütterung zu nennen. Werden die aufgenommenen N- und P-Mengen bestmöglich der Versorgungsempfehlungen der Tiere angepasst, können hierüber die N- und P-Nutzungseffizienz deutlich erhöht und die entsprechenden Ausscheidungen reduziert werden. Dies fördert den verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen und verbessert die Tiergesundheit. Wird beispielsweise der Rohproteingehalt in Rationen von Schweinen oder Kühen um 1 %-Punkt reduziert, so kann nach Sajeev et al. (2017) hierüber die Ammoniakemission um ca. 17 % reduziert werden (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Reduktionspotenzial der Ammoniakemissionen durch Reduktion des Rohproteingehaltes in Rationen für Schweine und Rinder (Sajeev et al. 2017)

Nur wer die tatsächliche TM-Aufnahme seiner Tiere kennt, weiß, wie die bedarfsgerechten Nährstoffgehalte bei der Rationsberechnung einzustellen sind.

Versorgungsempfehlungen

Um Milchkühe bedarfsgerecht zu versorgen, hat die Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) Versorgungsempfehlungen für Milchkühe veröffentlicht (GfE 2001). Hier wird zwischen dem Erhaltungsbedarf und dem Leistungsbedarf der Tiere differenziert. So hängen der Erhaltungsbedarf von der Lebendmasse und die Leistung von der täglichen Milchleistung sowie den Inhaltsstoffen ab. In Tabelle 1 und 2 sind die entsprechenden Werte für den Erhaltungs- und Leistungsbedarf an nutzbarem Rohprotein am Dünndarm (nXP) dargestellt.

Tabelle 1: Versorgungsempfehlungen für den Erhaltungsbedarf an nutzbarem Rohprotein (nXP) von Milchkühen (GfE, 2001)

Tabelle 2: Versorgungsempfehlungen für den Leistungsbedarf von Milchkühen an nutzbarem Rohprotein (nXP) bei unterschiedlichen Milchproteingehalten (GfE, 2001)

Gleiches gilt auch für den Phosphor (P)-Bedarf. Dieser ist entsprechend der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE, 2001) folgendermaßen charakterisiert:

P-Bedarfsmenge = (kg Milch*1,43) + (kg TM-Aufnahme*1,43).

Bei einer z. B. für eine Kuh mit 40 kg Tagesmilchmenge unterstellten Futteraufnahme von 23 kg TM ergibt sich folglich eine P-Bedarfsmenge von 90 g je Kuh und Tag. Das wiederum entspricht einem P-Gehalt in der Gesamtration von 3,9 g/kg TM.

Um die dargestellten Versorgungsempfehlungen mit den jeweiligen konkreten Rationskennzahlen besser einschätzen zu können, ist grundsätzlich zu beachten, dass Tiere keinen Bedarf an bestimmten Nähr-, Mineralstoff- und Energiegehalten, sondern immer eine ganz konkrete Nähr-, Mineralstoff- bzw. Energiemenge benötigen. Diese Mengenangaben dividiert durch die konkrete Trockenmasseaufnahme ergeben dann letztlich die Konzentrationen an Energie-, Nähr- und Mineralstoffen im Futter.

Dieses soll am Beispiel von nXP und P deutlich gemacht werden. Eine Milchkuh mit einer Milchleistung von z. B. 40 kg je Tag benötigt 450 g nXP (Erhaltungsbedarf für 650 kg Gewicht) plus für jedes Kilogramm Milch (mit einem Eiweißgehalt von 3,4 %; Leistungsbedarf) nochmals 85 g nXP. Das sind insgesamt 3850 g nXP am Tag (450 g nXP + 40 x 86 g nXP/l Milch = 3850 g nXP/Tag).

Entscheidend ist nun die tatsächliche Trockenmasseaufnahme. Ist diese z. B. 23 kg, entspräche das einem bedarfsdeckenden nXP-Gehalt von 167 g/kg TM. Würde die TM-Aufnahme hingegen sogar 25 kg betragen, wäre ein nXP-Gehalt von 154 g/kg TM bedarfsdeckend.

Um die Tiere bedarfsgerecht versorgen zu können, ist es fundamental wichtig, die Futteraufnahmen von den trockenstehenden sowie laktierenden Kühen möglichst genau zu kennen. Dies ist, zumindest bei einem Einsatz eines Futtermischwagens (mit Waage), sehr einfach möglich, indem über eine Woche die täglich ausdosierten Futtermengen und Restfuttermengen je Gruppe dokumentiert werden. Über eine TM-Bestimmung der Ration können dann die mittleren täglichen TM-Aufnahmen je Gruppe berechnet werden.

Nur wenn die tatsächlichen TM-Aufnahmen bekannt sind, kann auch eine angepasste und optimale Rationsberechnung erfolgen.

Um dauerhaft hohe TM-Aufnahmen bei den Tieren zu erzielen, hat es sich bewährt:

  • jeden Tag die gleiche Ration vorzulegen und die Rationszusammensetzung so lange wie möglich gleich zu belassen,
  • TM-Gehalte in den Rationen optimalerweise zwischen 36 und 40 % einzustellen, aber zumindest 45 % nicht zu überschreiten, um ein stärkeres Selektieren der Tiere zu vermeiden,
  • eine ausreichende Anzahl sowie ausreichend breite Fressplätze bereitzuhalten.

In Abbildung 3 ist die TM-Aufnahme im Laktationsverlauf der Milchviehherde am Hofgut Neumühle dargestellt. 

Wie aus dieser Abbildung 3 hervorgeht, fressen die Kühe am Hofgut Neumühle in den letzten 4 Wochen vor der Abkalbung zwischen 12 und 14 kg TM/Tag und erreichen ca. 23 kg TM-Aufnahme pro Tag ab der 6. Laktationswoche. Die dazugehörige Laktationskurve der Mehrkalbskühe am Hofgut Neumühle ist in Abbildung 4 dargestellt.

Abbildung 4: Laktationsverlauf der Mehrkalbskühe am Hofgut Neumühle.

Praktische Umsetzung einer N- und P-reduzierten Fütterung

Um nun eine N- und P-reduzierte Fütterung umsetzen zu können, gilt es eine am Bedarf der Tiere orientierte Ration zu berechnen. Hier ist es wichtig, die betriebseigenen Futtermittel sowie deren Inhaltsstoffe genau zu kennen. Regelmäßige Futtermitteluntersuchungen aller im Betrieb eingesetzten Futtermittel sind hier unverzichtbar und lohnen sich. In Tabelle 3 und 4 finden sich die 2019 am Hofgut Neumühle an die laktierenden Kühe gefütterte Ration sowie deren Nährstoffgehalte.

Tabelle 3: Rationszusammensetzung im Jahr 2019 am Hofgut Neumühle

Tabelle 4: Nährstoffgehalte der Ration für die laktierenden Kühe am Hofgut Neumühle

Die dargestellte Ration ist für 37 Liter ECM-Milchleistung ausgelegt gewesen. Bei einer unterstellten und gemessenen TM-Aufnahme von 23 kg (vgl. Abbildung 3) liegen der Rohproteingehalt der Ration bei 14,8 % und der nXP-Gehalt bei 16 % i.d.TM. Es gilt hierbei hervorzuheben, dass die Tiere bzgl. nutzbarem Rohprotein am Dünndarm bedarfsgerecht versorgt sind. Der Phosphorgehalt liegt bei 3,8 g/kg TM und erreicht ebenfalls die Bedarfsdeckung der Tiere.

Zur Rationsüberprüfung wird die hierbei berechnete Milchleistung mit der tatsächlichen Milchleistung verglichen. Dies ist sehr einfach anhand des Herdenmanagementprogramms oder der monatlichen Milchleistungsprüfung möglich. Weicht die berechnete Milchleistung von der tatsächlich ermolkenen deutlich (um mehr als 2-3 kg/Tier und Tag) ab, sollten die TM-Aufnahme, die Rationszusammenstellung im Futtermischwagen und die Vorlage auf dem Futtertisch sowie die Futterhygiene, speziell der Grobfutter, überprüft werden. Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Überprüfung der Fütterung stellen die Milchinhaltsstoffe der Tankmilch, die in den meisten Betrieben zwischen 5 und 15 Mal monatlich von der Molkerei ausgewiesen werden, dar. Hier lassen sich regelmäßig evtl. vorhandene Schwankungen in den Milchinhaltsstoffen erkennen und einordnen. In Tabelle 5 sind einige Ergebnisse der Tankmilchproben vom Hofgut Neumühle dargestellt.

Tabelle 5: Güteprüfung der Anlieferungsmilch vom Hofgut Neumühle

Höhere Milchharnstoffgehalte als 170 bis 200 mg/l sind nicht nur nicht notwendig, sondern sogar aus Sicht des Tieres (stoffwechselbelastend), des Landwirts (höhere Futterkosten), besonders aber aus Sicht der Umwelt (höhere N-Ausscheidungen) eher kontraproduktiv.

Aktuell produzieren die Kühe am Hofgut Neumühle zwischen 36 und 37 kg Milch pro Tag. Die mittleren Milchinhaltsstoffe liegen bei 4,13 % Fett und 3,45 % Eiweiß. Die Milchharnstoffgehalte liegen bei 171 mg/Liter Milch. Die niedrigen Milchharnstoffgehalte von unter 200 mg/l bei gleichzeitig guten Milcheiweißgehalten belegen eine sehr gute N-Nutzungseffizienz, da die Tiere einen hohen Anteil des über das Futter aufgenommenen Stickstoffs in Milcheiweiß umsetzen. Hier sollten Werte von > 30 % erzielt werden. Des Weiteren belegen niedrige Milchharnstoffgehalte eine geringe Leberbelastung, da überschüssiger Stickstoff über die Leber energieaufwendig entgiftet werden muss.

Anhand der Milchleistung, des Milcheiweiß- und -harnstoffgehaltes können über folgende Formel ([g N/Tag] = 124 + (1.320 x Milchharnstoff-N [g N/kg Milch]) + (1,87 x Milch-N [g N/Tag]) - (6,90 x Milchmenge [kg/Tag]) nach Bannink und Hindle (2003) die täglichen N-Ausscheidungen berechnet werden, die bei niedrigen Milchharnstoffwerten auch deutlich reduziert werden.

Neben verminderten N-Ausscheidungen können zusätzlich über eine N-reduzierte Fütterung die Harnmengen und damit die anfallenden Güllemengen deutlich verringert werden. Das gleiche gilt für Phosphor. Alle über den P-Bedarf verfütterten P-Mengen werden wieder von den Tieren ausgeschieden.

Fazit

Über eine am Bedarf orientierte Rationsberechnung können die Stickstoff- und Phosphorausscheidungen deutlich und nachhaltig reduziert werden. Dies trägt zu einer guten Tiergesundheit und reduzierten Emissionen bei. Im DLG-Merkblatt 444 „Berücksichtigung N- und P-reduzierter Fütterungsverfahren bei den Nährstoffausscheidungen von Milchkühen“ erhalten Sie weitere Informationen zum Thema. Über die Homepage des Hofguts Neumühle sowie die Dienstleistungszentren Ländlicher Raum in Rheinland-Pfalz erhalten Sie ebenfalls Informationen zur N- und P-reduzierten Fütterung. 

DER DIREKTE DRAHT

Dr. Christian Koch
Vorsitzender des Bundesarbeitskreises
der Fütterungsreferenten der Länder in der DLG
und
Leiter des Fachbereichs Rinderhaltung,
Futterbau und Versuchswesen Lehr- und Versuchsanstalt
für Viehhaltung, Hofgut Neumühle
Neumühle 1
67728 Münchweiler an der Alsenz
Tel.: 06302/60343
www.hofgut-neumuehle.de


Fotos: Mahlkow-Nerge
Stand: 7/2020