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Körperkonditionsbeurteilung von Kühen – schnell erlernbar und reproduzierbar
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Zahlreichen Untersuchungen und Publikationen zur Folge ist die Beurteilung und Steuerung der Körperkondition von Milchkühen eine bedeutsame Maßnahme im Herdenmanagement. Auf der Bestandsebene stellt sie eine effektive Methode dar, um hohe tierische Leistungen mit stabiler Gesundheit und guter Fruchtbarkeit zu vereinen, um die Futtereffizienz zu optimieren und letztlich die ökonomische Rentabilität der Milchproduktion zu verbessern.

Hintergrund

Kühe mobilisieren in den ersten Wochen nach der Kalbung Körperfettreserven, da ihre Energieaufnahme mit dem Futter geringer ist als ihr Bedarf. Ab Laktationsmitte muss die bis dahin abgebaute Körperfettmenge dann wieder aufgebaut werden. Der Umfang dieses Auf- und Abbaus von Körperreserven beeinflusst die Futteraufnahme, Milchleistung, Gesundheit sowie die Fruchtbarkeit der Kuh in der Frühlaktation und ist durch Haltung und Fütterung im Laktationsverlauf steuerbar.

Die Einschätzung und Steuerung der Körperfettmenge im Laktationsverlauf ist Grundlage der Körperkonditionsbeurteilung. Am äußeren Erscheinungsbild kann der Umfang der körpereigenen Energiereserven abgelesen werden. Die Entwicklung der Körperkondition folgt dabei einer Optimalfunktion: es sind weder zu wenig noch zu viel Fettdepots erwünscht. Sind zahlreiche Kühe z. B. nach der Hochlaktationsphase besonders stark abgemagert oder viele zum Trockenstellen ggf. zu fett, sind i. d. R. Fütterungs- und/oder Haltungsfehler ursächlich daran beteiligt.

Insofern ist die regelmäßige Beurteilung der Körperkondition von Milchkühen ein wertvolles Controllinginstrument, deren Bedeutung die meisten Landwirte zwar kennen, welches jedoch in der Praxis nur in ganz wenigen Betrieben auch tatsächlich systematisch angewendet wird. Als Gründe hierfür werden oftmals genannt:

  • keine Zeit dafür,
  • keine Erfahrung damit,
  • Unsicherheit beim Anwenden

Dabei ist die Körperkonditionsbeurteilung einfach erlernbar, schnell durchzuführen und liefert bereits nach wenigen Übungen reproduzierbare Ergebnisse. Wie so häufig besteht die „Kunst“ hauptsächlich darin, einfach damit anzufangen.

Die Körperkonditionsbeurteilung ist schnell und leicht erlernbar, wie Studierende des Fachbereiches Agrarwirtschaft seit Jahren zeigen.

Körperkonditionsbewertung

Bei der Beurteilung steht die Abdeckung der Knochenvorsprünge mit Fett- und Muskelgewebe im Vordergrund. Auch wenn international verschiedene Beurteilungsschlüssel erarbeitet wurden, wird in den meisten Milchproduktionsländern das von Edmonson et al. (1989) auf einer Skala von 1 (äußerst unterkonditioniert; siehe Bild 1) bis 5 (äußerst überkonditioniert; siehe Bild 2) basierende Body Condition Scoring (BCS) angewandt. Es stützt sich auf eine Abschätzung der subkutanen Fettauflage der Tiere.

Diese Beurteilung erfolgt durch Betrachten und Betasten bestimmter Regionen des Körpers:

  1. Dornfortsätze der Lendenwirbel
  2. Verbindungslinie zwischen Dorn- und Querfortsätzen der Lendenwirbel
  3. Enden der Querfortsätze („kurze Rippen“)
  4. Übergang von den Querfortsätzen zur Hungergrube auf der rechten Seite
  5. Hüfthöcker und Sitzbeinhöcker
  6. Bereich zwischen Hüfthöcker und Sitzbeinhöcker
  7. Bereich zwischen den beiden Hüfthöckern
  8. Beckenausgangsgrube

Bild 1

Bild 2

Sind Ergebnisse reproduzierbar?

Die Körperkonditionsbeurteilung ist einfach, schnell und kostengünstig anzuwenden und ebenso schnell nach einiger Übung erlernbar. Da sie aber besonders durch die subjektiven Fähigkeiten und Beeinflussungen des Beurteilers bestimmt wird, ist die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit dieser Methode immer auch kritisch zu überprüfen.

Hiermit haben sich bereits einige Studien befasst, u. a. die von Evans (1978) bzw. Nicoll (1981). In diesen Untersuchungen ergab sich eine Korrelation bei den von verschiedenen Beurteilern vergebenen BCS-Noten von 0,7 bzw. 0,58. Eine Korrelation beschreibt grundsätzlich die Stärke einer statistischen Beziehung zwischen 2 Merkmalen bzw. Variablen.

In einer Publikation von Ferguson et al. (1994) zur selben Fragestellung wird über ein r von 0,76 bis 0,86 berichtet. Das entspricht einem Bestimmtheitsmaß R2 von 0,58 bis 0,74. Das R² ist ein Gütemaß zum Beschreiben eines linearen Zusammenhangs und kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Prinzipiell stehen dabei höhere Werte für eine bessere Vorhersage der abhängigen Variable. Bei dem von Ferguson et al. (1994) beschriebenen R2 von 0,58 handelt es sich um mittlere, bei 0,74 bereits um hohe Werte.

Dabei kristallisierte sich eine Abhängigkeit der Schätzgenauigkeit vom Trainingszustand, also der Routinefähigkeit, des Beurteilers heraus. Bei wiederholten BCS-Beobachtungen stimmten die vergebenen BCS-Noten zu 58 % bis 67 % überein und bei 21 % bis 34 % zeigten sich Differenzen von 0,25 Einheiten auf der fünfstufigen BCS-Skala.

Eine Untersuchung von Kleiböhmer et al. (1998) widmete sich ebenfalls der Problematik der Erlernbarkeit und Genauigkeit der Körperkonditionsbeurteilung beim Rind. Dazu wurden 15 Landwirten ohne vorherige Erfahrung in der Beurteilung der Körperkondition von Milchkühen in einem eintägigen Lehrgang die Grundlagen der Körperkonditionsbeurteilung vermittelt. 6 Wochen nach dem Lehrgang hatten die Landwirte insgesamt 175 Milchkühe in mehreren Betrieben beurteilt. Die Ergebnisse dieser Erfolgskontrolle (Wiederholbarkeit, Genauigkeit und Übereinstimmung mit der Beurteilung von erfahrenen Beurteilern) zeigten deutlich, dass selbst relativ unerfahrene Untersucher nach einer eintägigen Einweisung in der Lage sind, die Beurteilung der Körperkondition gut reproduzierbar und für die Praxis ausreichend genau durchzuführen.

Erlernbarkeit der Beurteilung

Im Rahmen eines vom Fachbereich Agrarwirtschaft der Fachhochschule Kiel seit dem Wintersemester 2016 angebotenen Moduls „Praktisches Fütterungscontrolling“ erlernen die Studierenden u. a. ebenfalls die Beurteilung der Körperkondition von Milchkühen. Bis zum aktuellen Zeitpunkt konnten somit von 162 Studierenden insgesamt 7181 „Erstbeurteilungen“ ausgewertet werden.

Nach einer ca. dreistündigen theoretischen Einführung in die Hintergründe und die Vorgehensweise folgte stets eine knapp einstündige praktische Einführung anhand der gemeinsamen Beurteilung von verschiedenen Kühen und der Zuhilfenahme von Beispielfotos für die entsprechenden BCS-Noten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit unterschiedlichen landwirtschaftlichen Vorkenntnissen, i.d.R. aber ohne Erfahrungen bzgl. der Körperkonditionsbeurteilung, bewerteten anschließend ihnen zuvor unbekannte Kühe eines Praxisbetriebes.

Diese Herde besteht aus 160 Deutsch Holstein-Milchkühen mit einer aktuellen Leistung von 11.000 kg Milch. In der Übersicht 1 sind alle in den verschiedenen Semestern von der Modulverantwortlichen, die seit 20 Jahren regelmäßig die Körperkondition von verschiedenen Milchkuhherden beurteilt, vergebenen BCS-Noten dargestellt. Insgesamt befanden sich 55 % der bewerteten Kühe dieser Herde in einer ihrem Laktationsstadium entsprechenden optimalen Körperkondition, 15 % waren über- und 30 % unterkonditioniert.

Übersicht 1: Körperkondition der Milchkuhherde des Praxisbetriebes (587 Beurteilungen in den verschiedenen Semestern durch die Modulleiterin)

Die für die Unterkonditionierung zahlreicher Kühe, vor allem in der Spätlaktationsphase, verantwortlichen Ursachen sollen nicht Gegenstand dieses Beitrages sein. Vielmehr zeigt die Grafik die Bandbreite der BCS-Noten in dieser Herde. Jeweils 1 % der Kühe wurden mit einer BCS-Note von unter 2,0 und über 4,0 beurteilt, 12 % mit einer Note von 2,0 bis 2,5 und jeweils 38 % mit einer Note von über 2,5 bis 3 sowie über 3,0 bis 3,5.

Ergebnisse von Studierenden der FH

In 49 % aller Fälle waren die von den Studierenden vergebenen BCS-Noten deckungsgleich (maximale Differenz: + 0,15 BCS-Noten) mit denen der Modulleiterin. Bei der Anwendung dieser von Edmonson et al. (1989) erarbeiteten fünfstufigen Skala wurde dabei i.d.R. mit Zehntelnoten eine noch feinere Abstufung zwischen den BCS-Noten gewählt. Bei 45 % der Vergleiche unterschieden sich die vergebenen BCS-Noten um max. 0,5 und bei 6 % um mehr als 0,5 Noten.

Das Bestimmtheitsmaß R2 von 0,64 (Übersicht 2) reiht sich in die Werte der zuvor genannten Studien von Ferguson et al. (1994) ein und ist in Anbetracht der zuvor nur sehr kurzen Zeit für das Erlernen der Konditionsbeurteilung als gut zu bezeichnen.

Übersicht 2: Vergleich der von den Studierenden bei der 1. Beurteilung vergebenen BCS-Noten mit denen der Modulleiterin (Auswertung von 4.922 Datensätzen aus dem Zeitraum Wintersemester 2016 bis Sommersemester 2021)

Bei 44 % der Studierenden wurde mit einem R2 über 0,7 insgesamt eine gute bis sehr gute Übereinstimmung der vergebenen BCS-Noten mit denen der Modulleiterin registriert (Übersicht 3).

Übersicht 3: Übereinstimmung (gemessen anhand des Bestimmtheitsmaßes R2) der von den Studierenden bei der 1. Beurteilung vergebenen BCS-Noten mit denen der Modulleiterin (Auswertung von 4.922 Datensätzen aus dem Zeitraum Wintersemester 2016 bis Sommersemester 2021)

Sicherheit nimmt zu

Etwa 1 Stunde nach der ersten Beurteilung und einer erneuten kurzen Übung in Form eines Abgleiches mit der Beurteilung der erfahrenen Person erfolgte nochmals eine Körperkonditionsbewertung derselben Kühe. Eine Beeinflussung dieser 2. Beurteilung durch die zuvor erteilten und schriftlich festgehaltenen BCS-Noten konnte dabei ausgeschlossen werden, da diese Dokumentation vor der 2. Beurteilung abgegeben werden musste.

Insgesamt konnten 4.745 Vergleiche zwischen der 1. und 2. Beurteilung ausgewertet werden. In 59 % aller Fälle bestand hierbei eine absolute Übereinstimmung, d. h. dass bei der 1. und 2. Beurteilung durch die Studierenden dieselbe BCS-Note vergeben wurde. Bei 27 % der Vergleiche ergab sich eine minimale Differenz zwischen beiden Noten von maximal ± 0,25. Insofern kann geschlussfolgert werden, dass die Studierenden bei 86 % aller Beurteilungen zum identischen bzw. nahezu gleichen Ergebnis kamen. Das bezeugt auch das hohe Bestimmtheitsmaß von R2 = 0,75 (Übersicht 4).

Übersicht 4: Vergleich der BCS-Noten bei der 1. und 2. Beurteilung aller Studierenden (Auswertung von 4.745 Datensätzen aus dem Zeitraum Wintersemester 2016 bis Sommersemester 2021)

Ein erneuter Vergleich von den bei der 2. Beurteilung der Studierenden vergebenen BCS-Noten mit denen der erfahrenen Beurteilerin zeigte gegenüber der 1. Beurteilung dann eine etwas größere Übereinstimmung. Jetzt waren in 51 % der Vergleiche die von den Teilnehmern vergebenen BCS-Noten deckungsgleich (maximale Differenz: ± 0,15 BCS-Noten) mit denen der erfahrenen Beurteilerin. Bei 44 % unterschieden sich die vergebenen BCS-Noten um max. ± 0,5 und bei 5 % um mehr als 0,5.

Das Bestimmtheitsmaß R2 stieg von 0,64 bei der 1. Beurteilung auf nun 0,68 (Übersicht 5).

Übersicht 5: Vergleich der von den Studierenden bei der 2. Beurteilung vergebenen BCS-Noten mit denen der Modulleiterin (Auswertung von 2.879 Datensätzen aus dem Zeitraum Wintersemester 2016 bis Sommersemester 2021)

FAZIT

Eine optimale Bestandsbetreuung hochleistender Milchkuhherden sollte eine regelmäßige Körperkonditionsbeurteilung – entweder mittels Body condition scoring oder Rückenfettdickenmessung - integrieren. Hiermit können schnell Veränderungen der Körperfettreserven bzw. des Ernährungszustandes der Tiere und mögliche Fehler im Haltungs- und Fütterungsmanagement aufgedeckt werden.

Die Beurteilung der Körperkondition ist schnell und leicht erlernbar, wie u. a. die mittlerweile fünfjährigen Übungen mit den Studierenden des Fachbereiches Agrarwirtschaft zeigen. Die Studierenden hatten zuvor weitestgehend keine detaillierten Vorkenntnisse und Erfahrungen im Anwenden des Body Condition Scorings. Bereits nach sehr kurzer Zeit (3 Stunden Theorie und 1 Stunde praktische Übungen) konnten aber praxisrelevante und reproduzierbare Ergebnisse erzielt werden.

Ein regelmäßiges Üben, am besten durch das systematische Anwenden der Körperkonditionsbeurteilung und regelmäßige Justierrunden mit anderen Beurteilern helfen, das große Potential dieses Controlling-Instruments im Herdenmanagement zu nutzen.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
Fachhochschule Kiel
Fachbereich Agrarwirtschaft
Grüner Kamp 11
24783 Osterrönfeld

Tel.: 04331/845138
Fax.: 0431/21068138

katrin.mahlkow-nerge@fh-kiel.de

Fotos (Katrin Mahlkow-Nerge)