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Ergebnisse aus dem Köllitscher Fütterungstest: Weizenpressschlempe in Milchkuhrationen
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Schlempeanfall in Deutschland

Neben den Spirituosenbrennereien sind in den letzten Jahrzehnten große Bioethanolanlagen entstanden. In Deutschland werden aktuell rund 300 Millionen Liter Bioethanol überwiegend aus Weizen, Roggen, Triticale und Gerste erzeugt. Als Nebenprodukt des Brennereiprozesses fällt Schlempe an. Futtermittelrechtlich wird Schlempe als das Nebenerzeugnis der Alkoholherstellung aus stärkereichen (z. B. Mais, Getreide, Kartoffeln, Maniok, Hirse, Reis, Erbsen) oder zuckerreichen Rohstoffen (z. B. Zuckerrüben, Zuckerrohr, Gräser), welches bei der Fermentation und Destillation von Maische aus den genannten Erzeugnissen unter Zusatz von Hefe (i.d.R. Saccharomyces) gewonnen wird und bei dem ausschließlich Wasser entzogen sein darf, definiert.

Pressschlempen aus der Spirituosen- und Bioethanolherstellung sind gute Proteinfuttermittel für Rinder. Jedoch sollten sie einer genauen Futtermittelanalyse unterzogen werden, da ihr Futterwert stark schwanken kann.

Futterwert von Pressschlempen

Schlempen enthalten per se kaum noch Stärke oder Zucker. Alle anderen Inhaltsstoffe, d. h. insbesondere Protein, Fett, Faser und Mineralstoffe, reichern sich im Mittel um den Faktor 2,5 bis 3 an. Dies trifft im Übrigen auch auf unerwünschte Stoffe, wie Bodenschadstoffe, Mykotoxine oder Pflanzenschutzmittel zu, wodurch eine strenge Rohstoffkontrolle in Brennereien angezeigt ist. Je nach Prozessführung enthält die Schlempe mehr oder weniger Zellen der zugesetzten Hefekultur und ggf. zugesetzten Enzyme. Dies hat insbesondere Einfluss auf die Proteingehalte und –qualität.

Schlempe wird zu sehr unterschiedlichen TM-Gehalten auf den Markt gebracht. Durch Abfiltern, Dekantieren, Verdampfen oder Trocknen wird, neben Dünn- oder Nassschlempen (unter 15 – 25 % TM) zur sofortigen Frischverfütterung auch Pressschlempe (25 – 40 % TM) zur zeitnahen Frischverfütterung oder Heißsilierung und Trockenschlempe (ca. 90 % TM) zur kontinuierlichen Verwendung in hofeigenen Mischungen oder in der Mischfutterindustrie angeboten.

Die Spirituosenbrennereien vermarkten ihre Schlempen überwiegend als Nass- oder Pressschlempen im näheren Umfeld. Die Bioethanolanlagen trocknen die Schlempen in der Regel und vermarkten Trockenschlempen zum Teil global. Der Futterwert von Schlempe ist zum Teil sehr schwankend und mehr oder weniger stark vom Rohstoff und von der Art und Führung des Brennereiprozesses abhängig. Besonders wertvoll für die Tierernährung sind Getreideschlempen. Obstschlempen besitzen dagegen einen eher geringen und stark schwankenden Futterwert.

In der Tabelle 1 sind exemplarisch und vergleichend die Futterwertdaten von Weizenpressschlempe und Rapsextraktionsschrot aus dem aktuellen Köllitscher Fütterungstest zusammengestellt. Während der Energiegehalt der beiden Proteinkonzentrate nicht verschieden ist, unterscheiden sich nahezu alle weiteren Futterwertparameter signifikant. Auffallend ist ein höherer NDF-, aber geringerer ADF-Gehalt der Schlempen. Hier muss der Schlüssel für die nahezu gleiche Verdaulichkeit der organischen Substanz zu suchen sein. Der Proteingehalt der Weizenpressschlempen lag mehr als 100 g unter den Gehaltswerten des Rapsextraktionsschrotes in einem Kilogramm Trockenmasse. Mit 26 % Rohprotein in der Trockenmasse bleibt Weizenpressschlempe jedoch ein hervorragendes Proteinkonzentrat. Das nicht getrocknete Schlempeprotein ist signifikant höher löslich und damit der geschätzte UDP-Gehalt mit 27 % vom Rohprotein erwartungsgemäß geringer als im Rapsextraktionsschrot. Hier unterscheiden sich die Pressschlempen auf Weizenbasis erheblich von den am Markt angebotenen Weizentrockenschlempen, welche UDP-Gehaltswerte zum Teil von über 40 % aufwiesen.

Der Methionin-Gehalt im Schlempeprotein ist mit 1,3 % nur knapp halb so hoch wie im Rapsprotein. Weizenpressschlempe ist gegenüber Rapsextraktionsschrot ausgesprochen calciumarm. Obwohl das Getreidenebenprodukt ausreichend Phosphor enthält, ist der Gehaltswert vom Rapsprodukt signifikant höher.

Tabelle 1: Futterwertdaten der Weizenschlempe im Vergleich zum Rapsextraktionsschrot

Fütterungseignung für Milchkühe

Frische Nass- bzw. Pressschlempen eignen sich aufgrund ihrer Konsistenz und mäßigen enzymatischen Verdaulichkeit als proteinreiches Konzentrat vorrangig in der Rinderfütterung. Die Gaben an frischer bzw. silierter Schlempe sollten im Milchkuhbereich 3 kg TM nicht überschreiten. Bei Mastrindern werden bis 0,7 kg TM und bei Jungrindern bis 0,3 kg TM je 100 kg Körpermasse in der Tagesration empfohlen.

Zum Teil wird in der Fachliteratur auf die unabdingbare Gewöhnung der Tiere verwiesen. Bei zu geringer Gewöhnung wird zum Teil das Phänomen „Schlempehusten“ beschrieben, welches eine durch Essigsäure und Alkohol ausgelöste Schleimhautreizung im Kehlkopfbereich zur Ursache hat. Da die frische Schlempe generell wenig strukturwirksam ist, ist auf eine ausreichende Struktur-, also Grobfutterversorgung zu achten. Milchkühen sollten höhere Schlempemengen erst nach dem Melken verfüttert werden, um eine mögliche Geschmacksveränderung der Milch auszuschließen. In der Regel aber werden derartige Futtermittel in Form einer gemischten Ration mit Grobfutter- und anderen Kraftfutterkomponenten gefüttert. Bei der Schlempenfütterung ist zudem auf die Mineralstoff-, insbesondere die Calciumversorgung, der Tiere zu achten.

Bei der Verfütterung von Saftfuttermitteln sind immer besondere futtermittelhygienische Regeln einzuhalten. Nass- und Pressschlempen kommen aus dem Brennereiprozess nahezu steril. Aufgrund des hohen Wassergehaltes, der hohen Auslieferungstemperaturen (> 50°C) und der hohen Enzymlöslichkeit der Zellwandbestandteile und Hefereste sind sie aber leicht verderblich. Aerob stabil sind die abgepressten Gärrückstände maximal für 1 bis 2 Tage. Nach 2 – 3 Tagen kommt es in der Regel zu einem massiven Bakterien- und Hefebefall. Nach 4 – 6 Tagen sind die Feuchtfuttermittel massiv verschimmelt.  Frische Pressschlempe sollte deshalb innerhalb von 48 Stunden möglichst noch warm verfüttert werden. Für eine kostengünstigere und längerfristige Haltbarmachung bietet sich die Silierung in Folienschläuchen an. Die Siliereignung ist ausreichend gut. Entscheidend für eine erfolgreiche Silierung ist aber eine Heißvergärung. Das heißt, das Siliergut sollte eine Temperatur von 40 – 50 °C besitzen, wenn es unter Luftabschluss kommt.

Weizenschlempe im Köllitscher Fütterungstest

Die Weizenpressschlempe und die technische Grundausstattung zur Zwischenlagerung und Aufbereitung wurden für den Fütterungstest durch die Futtermittel Oberhoff GmbH kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Lieferungen der über 50 °C warmen Weizenpressschlempe erfolgte alle 2 - 3 Tage per Tankfahrzeug, wurde in einem isolierten, mit Rührwerk versehenen Behälter zwischengelagert und flüssig der Futtermischung im TMR-Mischwagen zudosiert. 

In einem 60tägigen Fütterungsversuch mit jeweils 2 homogen zusammengesetzten Gruppen mit je 30 Milchkühen (ca. 35 kg Milchleistung je Tier und Tag) im LVG Köllitsch wurden 3 kg TM Rapsextraktionsschrot durch 3 kg TM Weizenpressschlempe, ohne weitere Rationskorrekturen, ausgetauscht. Untersucht wurden der Einfluss auf Futteraufnahme, Milchleistung und Milchzusammensetzung sowie diverse Indikatoren in Kot und Harn. In der Tabelle 2 sind die beiden Testrationen und der Fütterungserfolg dargestellt.

Tabelle 2: Ergebnisse aus dem Köllitscher Fütterungstest

Der Rohprotein- und Methionin-Gehalt war in der Versuchsgruppe mit der Schlempe gegenüber der Rapsgruppe signifikant verringert. Der Proteingehalt der Mischung mit Weizenpressschlempe lag mit 14,4 % in der Trockenmasse auf einem sehr niedrigen Niveau für hochleistende Milchkühe. Auf einen Proteinausgleich wurde jedoch bewusst verzichtet, um den Effekt eines rein futtermittelspezifischen Austausches nicht zu beeinflussen. Der rechnerisch ermittelte Gehalt an nutzbarerem Rohprotein war, gleichwohl allen anderen Futterwertparametern, nach Analyse nicht verschieden. 

Die Futteraufnahme war zwar tendenziell in der Schlempegruppe geringfügig niedriger. Diese Differenz war jedoch statistisch nicht zu sichern. Die Unterschiede in den Proteinfraktionen der beiden Testmischungen blieben folglich auch bei den aufgenommenen Mengen erhalten. So war die Aufnahme an Rohprotein, Futterdurchflussprotein (UDP) und Methionin in der Gruppe, welche Weizenschlempe bekam, gegenüber der Rapsgruppe signifikant verringert. Die ruminale Stickstoffbilanz (RNB) war in der Schlempegruppe mit -41 g je Kuh und Tag gegenüber der Rapsgruppe mit knapp -10 g je Tier und Tag in einem stark negativen Bereich.

Erstaunlicherweise hatte die Differenz in der Proteinbereitstellung keinerlei Auswirkungen auf die Milchleistung und die Gehalte an Fett und Protein in der Milch. Die Futterverwertung beider Tiergruppen war mit 0,63 kg / kg ECM identisch. Die niedrigen RNB-Gehalte zeigten jedoch lehrbuchhaft ein signifikant anderes Ausscheidungsverhalten des Stickstoffs. Der Milchharnstoffgehalt der mit Weizenschlempe versorgten Kühe war mit 117 mg je Liter auf einem sehr niedrigen Niveau für Milchkühe und signifikant niedriger als in der Rapsgruppe. Auch die anderen Parameter, wie N-Ausscheidung (Futter-N minus Milch-N), Harn-N-Ausscheidung und die Konzentrationen an Kot-N sowie Blut-Harnstoff waren in der Schlempefütterungsgruppe statistisch gesichert niedriger. Dies bewirkte, dass mit 37 % gegenüber 35 % der Futterstickstoff besser genutzt wurde. 

FAZIT

Pressschlempen aus der Spirituosen- und Bioethanolherstellung sind ein hervorragendes Proteinkonzentrat für die Rinderfütterung. Der Futterwert ist jedoch schwankend und stark vom eingesetzten Rohstoff und der gewählten Verfahrensgestaltung in den Brennereien abhängig. Aus den Ergebnissen eines Köllitscher Fütterungstestes konnte bestätigt werden, dass 3 kg TM Rapsextraktionsschrot erfolgreich durch 3 kg TM Weizenpressschlempe austauschbar sind. Dabei waren sicher nicht alle Effekte futtermittelspezifisch bedingt. Der fehlende Proteinausgleich hatte hier einen Einfluss insbesondere auf die Stickstoffverwertung. Bei Einhaltung gewisser futtermittelhygienischer Besonderheiten, welche bei der Handhabung von Saftfuttermitteln per se gelten, ist aber die Getreideschlempe aus Bioethanolanlagen eine ernstzunehmende Alternative zu den klassischen Eiweißfuttermitteln. Berücksichtigt man ggf. einen gewissen Ausgleich durch ein UDP-Konzentrat bzw. durch Futterkalk, wird Getreideschlempe dann preiswürdig, wenn sie nicht mehr als 50 % des Preisniveaus (Trockenmassebasis) von Rapsextraktionsschrot übersteigt. Die zusätzlichen Kosten für die Logistik, Lagerung und den Futtereinsatz der Saftfuttermittel sowie ggf. futtermittelhygienische Risiken sind dabei mit ca. 10 % bereits berücksichtigt. 

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. Olaf Steinhöfel

Sächsischen Landesamtes für Umwelt,
Landwirtschaft und Geologie
Am Park 3
04886 Köllitsch

Tel.: +49 34222 46 2200 | Fax: +49 34222 46 2099

Foto (Katrin Mahlkow-Nerge)