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Futterwirtschaftliche Aspekte in der Milchrinderzüchtung unter Berücksichtigung der Laktoseerzeugung
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Futterökonomische Aspekte gewinnen in der Milchrinderhaltung eine wachsende Bedeutung. Ein weiteres zentrales Thema sind die Emissionen.

Während man sich in der jüngeren Vergangenheit in der Milchrinderzüchtung auf die immer umfassendere Anwendung komplizierter statistischer Verfahren konzentrierte, wurden grundlegende futterökonomische Zusammenhänge vernachlässigt.

So hat man vorrangig die Milchmengenleistung und damit die Einsatzleistung der Milchkühe zu Laktationsbeginn kontinuierlich verbessert. Gleichzeitig stieg die negative Energiebilanz (NEB) und folglich die körperliche Belastung hochleistender Milchkühe in der Frühlaktation an.

Im Ergebnis dieses Ansatzes wurde die wirtschaftliche Bedeutung einer hohen Milchfett- und Milchproteinkonzentration schlichtweg vernachlässigt und so die Laktoseerzeugung in besonderer Weise – wie nachfolgend klar aufgezeigt wird – gefördert.

Laktose ist der Milchbestandteil mit der höchsten Konzentration in der Milch; aber von den drei Hauptmilchbestandteilen (Fett, Protein und Laktose) hat sie den niedrigsten kommerziellen Wert.

Die Frage, die sich stellt, lautet: Soll diese schnelle weitere Steigerung der Laktoseerzeugung in der Milchrinderzüchtung tatsächlich weiter so wie bisher forciert werden?

Fleckvieh-Erstkalbskuh

Einordnung der Laktoseerzeugung

Der Laktose- oder Milchzuckergehalt spielt bei den Milchgeldabrechnungen der deutschen Molkereien selten eine Rolle.

Auch variiert der Laktosegehalt von Milchprodukten stark. Traditionelle Trinkmilch und/oder herkömmliche Joghurts enthalten in der Regel die gesamte in Milch vorhandene Laktosemenge (als intakte oder hydrolysierte Laktose), während Käse, griechischer Joghurt und andere fermentierte Milchprodukte oft einen deutlich reduzierten Laktosegehalt aufweisen.

Zusätzlich hat die Beliebtheit von laktosefreien Milchprodukten und Getränken in Westeuropa in den letzten Jahren stark zugenommen. 

Laktose ist der natürlich vorkommende Zucker (Disaccharid) in der Milch und gehört somit zur Gruppe der Kohlenhydrate. Er besteht aus den beiden Einfachzuckern (Monosacchariden) Glukose und Galaktose.

Abb. 1: Laktose gehört zur Gruppe der Disaccharide (Zweifachzucker) und besteht aus den beiden Molekülen Galaktose und Glukose

Laktose ist eine kristalline Substanz mit süßem Geschmack; die Süßkraft liegt je nach Konzentration zwischen 25 und 60 % der von Saccharose. Milchzucker ist weniger wasserlöslich als andere Zucker, wie etwa Maltose.

Die Laktose wird zum größten Teil direkt im Euter, in den sogenannten Laktocyten, aus Glukose gebildet.

Holsteinkühe, die etwa 40 kg Milch pro Tag produzieren, sezernieren etwa 1.800 bis 1.900 g Laktose pro Tag. Da Glukose ein wichtiger Vorläufer für die Laktosesynthese ist, besteht ein großer Bedarf an Glukose im Rahmen der Milchsynthese. Für die Synthese von Laktose ist somit eine große Menge Futterenergie notwendig.

Die erforderliche Glukose wird zum überwiegenden Teil in der Leber erzeugt. Eine Kuh, die täglich 40 kg Milch gibt, muss dafür mehr als drei Kilogramm Glukose produzieren. Das bedeutet eine Höchstleistung für das Tier.

Unterschiede im Verhältnis von Laktose zu Fett und Protein in der Milch sollten somit für die Nachhaltigkeit und damit die Nutzung von Futterressourcen im Rahmen der kommerziellen Milcherzeugung von zunehmender Bedeutung sein.

Futterenergiebedarf für Erhaltung und Leistung

Der Energiebedarf von Milchkühen setzt sich aus den erforderlichen Anteilen für

  • Erhaltung,
  • Milchbildung in Abhängigkeit von deren Zusammensetzung und
  • den Energieansatz für das Wachstum von Fetus und Gewebe im Verlauf der Laktation

zusammen.

Der Erhaltungsbedarf wird auf die metabolische Körpermasse (KM0,75) bezogen und steigt mit der Lebendmasse. Die Empfehlungen zur Energieversorgung von Milchkühen (GfE 2001) gehen von einem Anstieg des Erhaltungsbedarfs von 0,293 MJ NEL pro kg KM0,75 aus.  Die neuen Bedarfsempfehlungen lauten: 0,64 MJ ME/kg0,75 (GfE 2023).

Der relative Anteil für die Erhaltung am Gesamtenergiebedarf hängt also nicht nur von Milchmenge und -zusammensetzung ab, sondern auch von der mittleren Körpermasse der Kühe.

Bereits Thomet et al. (2002) weisen darauf hin, dass die Jahresmilchleistung pro Kuh vergleichsweise wenig über die Futtereffizienz aussagt, weil sie stark von der Lebendmasse der Kuh, dem Kraftfuttereinsatz und somit letztlich von der Gesamt-TM-Aufnahme abhängt.

Futterwirtschaftliche Kenngrößen bei differenzierten Zuchtzielen

Der zu nutzende Milchkuhtyp kann bei gleicher Produktivität sehr verschieden sein. Von praktischem Interesse sind vor allem die futterwirtschaftlichen Kenngrößen bei Anwendung verschiedener Zuchtzielvarianten (ZV).

In der Abbildung 2 sind differenzierte ZV für hochleistende Holsteinkühe hinsichtlich der Milchleistung und Körpermasse (bei konstanter Erzeugung von je 814 kg Milchfett und Milcheiweiß pro Kuh und Laktation (= 429 kg Fett bzw. 385 kg Eiweiß) aufgezeigt.

So lassen sich mit einer Milchmenge von ‚nur‘ 9.977 kg Kuh/Laktation - bei höheren Inhaltstoffen und einer etwas leichteren Kuh – die gleichen Milchfett- und Milcheiweißmengen futterwirtschaftlich effizienter im Vergleich zu einer 12.257 kg-Kuh mit einem deutlich geringeren Milchfett- und -eiweißgehalt erzeugen (Abb. 2).

Die höhere Futtereffizienz (hier ausgedrückt als: g (Fett + Eiweiß) je Einheit benötigter Futterenergie (in MJ NEL)) resultiert vor allem aus der geringeren Laktoseerzeugung (Abb. 2).

Abb. 2: Futterenergieeffizienz und Laktoseerzeugung bei Nutzung von Holsteinkühen in Abhängigkeit vom Zuchtziel (Restriktion: konstant 814 kg Milchfett + Milcheiweiß je Laktation)

Anm.: kg M = kg Milch, % F. = Milchfettgehalt, E. = Milcheiweißgehalt, KM = mittlere Körpermasse, ZKZ = Zwischenkalbezeit (in Tagen)

Die geringere Laktoseerzeugung führt gleichzeitig zu einem geringeren Glukosebedarf hochleistender Milchkühe und damit einer beachtenswerten Stoffwechselentlastung; trotz einer konstanten Milchfett- und Milcheiweißerzeugung (Abb. 3).

Abb. 3: Milchfett- und Milcheiweißerzeugung je kg Laktose und geschätzter Glukosebedarf (kg Kuh/Lakt.) bei Nutzung von Holsteinkühen in Abhängigkeit vom Zuchtziel (Restriktion: konstant 814 kg Milchfett + Milcheiweiß je Laktation)

Die Futterenergieeffizienz unterscheidet sich je nach Zuchtzielvariante (ZV) - trotz einheitlicher erzeugter Milchfett- und Milcheiweißmengen - deutlich.

Der (etwas) leichtere Milchkuh-Typ mit hohen Inhaltsstoffen ist gegenüber dem schwereren Milchkuhtyp mit hoher Milchmengenleistung und nur geringen Inhaltsstoffen klar im Vorteil (Abb. 2 und 3).

Bestätigt werden können die aufgezeigten Zusammenhänge auch für die moderne Fleckviehzucht, die sich bekanntermaßen durch besonders schwere Kuhtypen (im Zweinutzungstyp ‚Milch und Fleisch‘) auszeichnet (Abb. 4).

Abb. 4: Futterenergieeffizienz und Laktoseerzeugung bei Nutzung von Fleckviehkühen in Abhängigkeit vom Zuchtziel (Restriktion: konstant 750,5 kg Milchfett + Milcheiweiß je Laktation)

Methan

Neben der Futtereffizienz besteht in der (künftigen) Zucht auch die Notwendigkeit, unerwünschte Emissionen, beispielsweise in Form des Methan (CH4)-Outputs sowie von (Futter-)Energieverlusten aufgrund der Erzeugung thermischer Energie (= Wärmeenergieproduktion, WP) weiter zu reduzieren.

Die Höhe der täglichen Futteraufnahme spielt eine entscheidende Rolle für die Höhe der (Gesamt)-CH4-Bildung pro Tag. Gleichzeitig ist der zugehörige Fasergehalt in der Futterration von Bedeutung.

Die Faser ist eine wichtige Komponente in der Rinderfütterung. So entspricht der Gehalt an NDF (Neutrale Detergentienfaser = Gesamtheit aller pflanzlichen Gerüstsubstanzen) mindestens einem Drittel einer üblichen Gesamtration (auf die Trockenmasse bezogen). Er hat Einfluss auf Futteraufnahme, Pansengesundheit und Energieversorgung der Milchkühe und setzt sich vorrangig aus Hemicellulose, Cellulose und Lignin zusammen.

Zwischenzeitlich sind im Rahmen einer sehr großen länderübergreifenden Studie (namhafter Wissenschaftler aus den USA, Australien, Neuseeland, Westeuropa und Südamerika) bemerkenswert robuste mathematische Modelle zur Erfassung der täglichen Methanbildung erarbeitet worden. Bei Anwendung der Gleichung von Niu et al. (2018) resultiert die tägliche Methanbildung beispielsweise aus nachfolgender Beziehung:

g CH4 (Kuh/Tag) = -126 + 11,3 x TM + 2,30 x NDF + 28,8 x MF + 0,148 x KM,

wenn mit TM die tägliche (Futter-)Trockenmasseaufnahme (in kg/d), mit NDF der prozentuale NDF-Anteil in der Trockenmasse, mit MF der Milchfettgehalt und mit KM die mittlere Körpermasse (in kg) der Milchkuh bezeichnet wird.

Die Bewertung sollte vorzugsweise auf Ebene einer größeren Kuhgruppe (Herde/Population) erfolgen, da der tierindividuelle Einzelwert - nach Angaben der Autoren - einen Fehler von etwa 14,9 % aufweist.

Die aufgezeigte Beziehung eignet sich somit in besonderer Weise auch für den Vergleich verschiedenen Rassen bzw. Kuhtypen, da die mittlere Körpermasse der Tiere und stark variierende Milchfettgehalte gleichzeitig mitberücksichtigt werden (Brade, 2024).

Wärmebildung

Die in den letzten Jahren erzielten Milchleistungssteigerungen - basierend auf einer weiteren Zunahme der Stoffwechselaktivität der Milchkühe - sind leider zusätzlich auch mit einer spürbaren Erhöhung der Wärmebildung je Kuh/Laktation verbunden.

Bereits Coppock (1985) berichtete, dass die Wärmeproduktion einer 600-kg schweren Kuh, die 40 kg Milch mit 4 % Milchfett erzeugt, ca. 31 % der aufgenommenen Gesamtenergie (BE) ausmacht. Als Orientierungswert für den Wärmeverlust kann im Mittel ca. 30 % (mit deutlichen Variationen) genannt werden (Brade, 2024).

Vor dem Hintergrund des Klimawandels wird diese Thematik nun auch in der Züchtung immer wichtiger. Mit anderen Worten: Mit zunehmender Milchmengenleistung der Milchkühe muss immer mehr Wärme durch die hochleistende Kuh abgeführt werden.

In den Abbildungen 5 und 6 sind die zu erwartenden CH4-Emissionen je kg Fett+Eiweiß sowie die zu erwartende Wärmeproduktion (WP) bei differenzierter Zuchtzielgestaltung (ZV) in der Holstein- bzw. Fleckviehpopulation zusammengestellt.

Abb. 5: Wärmeproduktion (WP) und CH4-Emission je kg Milchfett + Milcheiweiß bei Nutzung von Holsteinkühen in Abhängigkeit vom Zuchtziel (Restriktion: konstant 814 kg Milchfett + Milcheiweiß je Laktation)

Abb. 6: Wärmeproduktion (WP) und CH4-Emission je kg Milchfett + Milcheiweiß bei Nutzung von Fleckviehkühen in Abhängigkeit vom Zuchtziel (Restriktion: konstant 750,5 kg Milchfett + Milcheiweiß je Laktation)

Aus Sicht der Zuchtzielgestaltung ist es nicht nur wirtschaftlich interessant, weniger Laktose pro Einheit Fett plus Protein zu erzeugen, sondern dieser Ansatz kann gleichzeitig dazu beitragen, die CH4-Emissionen in der Milcherzeugung zu reduzieren (Abb. 5 und 6).

Mit anderen Worten: Die Auswahl der künftigen KB-Bullen muss in Deutschland dringend verändert werden. Der aktuelle RZM (= Milchzuchtwert) und damit auch der gültige RZG (= Gesamtzuchtwert) beispielsweise in der deutschen Holsteinzucht berücksichtigen leider nur die Mengenmerkmale, aber nicht die Höhe der zugehörigen Milchinhaltsstoffe ‚Milchfett‘ und vor allem ‚Milcheiweiß‘.

Konkret: Im deutschen RZM wird aktuell ein Gewichtungsverhältnis von 1:2 für die Fett- und Eiweißmenge gewählt, die bekanntermaßen vor allem auch von der zugehörigen Milchmenge abhängig ist.

RZM, RZG und auch der RZ€ (= RZEuro) basieren somit immer noch auf dem alten Ansatz nach ‚viel Milchmenge‘ - ohne konsequente Beachtung futterwirtschaftlicher Zusammenhänge. Hier ist man vor allem in Skandinavien, Irland oder Neuseeland bereits viel weiter und bewertet Zuchttiere mit extrem hohen Milchmengenleistungen und unterdurchschnittlichen Milchfett- und Milcheiweißgehaltswerten konsequent negativ.

FAZIT

  • Der Ressourceneinsatz gewinnt an Bedeutung. Unterschiede im Verhältnis von Laktose zu Fett und Protein in der Milch verschiedener Kuhtypen/Rinderrassen sind für eine nachhaltige Nutzung der Futterressourcen in der kommerziellen Milchproduktion von zunehmender Bedeutung.
  • Die Erzeugung von Milchfett und Milcheiweiß ist mit einer konzentrierteren Milch effizienter als mit einer „dünnen“ Milch und besitzt Vorzüge im Hinblick auf die CH4-Emission, Wärmebildung und Transportkosten.
  • Die Wirtschaftlichkeit in der Milchrinderzüchtung wird neben den Produktionsmerkmalen und der Nutzungsdauer erheblich von der (mittleren) Körpermasse der Kühe bestimmt. Durch Berücksichtigung der (mittleren) Körpermasse zum Beispiel bei der Zuchttierrangierung wäre hier ein weiterer Fortschritt möglich.

DER DIREKTE DRAHT

Prof. Dr. habil. Wilfried Brade,
Professor für Tierzucht (i.R.) an der TiHo Hannover,
aktuell: Norddeutsches Tierzuchtberatungsbüro

Email: wilfried.brade@t-online.de

Foto: W. Brade